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1.5  Die astronomische Zeitrechnung

1.5.1  Sternzeit und Sonnenzeit

Als Grundlage unserer Zeitmessung dient ein periodisch ablaufender Naturvorgang: die tägliche Drehung der Erde um ihre Achse. Die an der Erduhr ausgeführte Zeitmessung ist somit eine Winkelmessung. Um die Erduhr ablesen zu können, braucht man Markierungen sowohl auf der Erde als auch an der Sphäre.

Auf der Erde benutzt man die Meridianebene des Ortes. Als Markierungen an der Sphäre werden wechselweise zwei Punkte verwendet: der Frühlingspunkt  g oder der Mittelpunkt der Sonne.

Die Zeit zwischen zwei aufeinanderfolgenden Durchgängen des Frühlingspunktes durch den Ortsmeridian ist ein Sterntag.

Die Zeit zwischen zwei aufeinanderfolgenden Durchgängen der Sonne durch den Ortsmeridian ist ein Sonnentag.

Beide Zeiteinheiten werden in Stunden, Minuten und Sekunden eingeteilt, wodurch Sternzeit und Sonnenzeit entstehen.

Die unterschiedlichen Zeitmaße sind erforderlich, da sich die Erde im Laufe eines Jahres einmal (zusätzlich) um die Sonne dreht. Als Folge ist der Sterntag etwas kürzer als der Sonnentag: gemessen in der Sonnenzeit ist ein Sterntag gleich 23 h 56 min 4,09 s.

Unter der Ortssternzeit versteht man den Stundenwinkel des Frühlingspunktes.

Sternzeit und Rektaszension werden also vom gleichen Bezugspunkt in gleichen Einheiten gemessen. Somit gilt:


Sternzeit  Q  ist  der  Stundenwinkel t  des  Frühlingspunktes  g.
Sternzeit  Q  =   Stundenwinkel t  +  Rektaszension a.

1.5.2  Wahre Sonnenzeit und mittlere Sonnenzeit - Die Zeitgleichung

Die Zeit zwischen zwei Meridiandurchgängen der Sonne heißt wahrer Sonnentag, das zugehörige Zeitmaß die wahre Sonnenzeit. Sonnenuhren zeigen immer die wahre Sonnenzeit an.

Abb.: Sonnenuhr im Bamberger Hain
Abb.: Sonnenuhr an der Luitpoldschule in Bamberg
Abb.: Sonnenuhr in Koenigsberg in Bayern

Die Länge eines wahren Sonnentages ist jedoch aus zwei Gründen veränderlich: erstens erfolgt die scheinbare Bewegung der Sonne nicht im Äquator, sondern in der sog. Ekliptik, und zweitens wird diese jährliche Bewegung in der Ekliptik wegen der Exzentrizität der Erdbahn ungleichförmig. Aus diesen Gründen wird die wahre Sonnenzeit zu einem unpraktikablen Zeitmaß.

Sehr eindrucksvoll zeigt sich dies, wenn man die Sonne mit einem fest ausgerichteten Fotoapparat über ein ganzes Jahr hinweg fotografiert. Zusätzlich zu der jahreszeitlich bedingten unterschiedlichen Höhe der Sonne weicht sie aus der Himmelsrichtung ab. Man erhält die sog. Analemma-Kurve, aussehend wie eine flachgedrückte Ziffer Acht. Als Folge geht eine Sonnenuhr bis zu etwa 15 Minuten vor oder nach !

Abb.: Sonnenuhr mit Zeitgleichung auf der Sternwarte in Sonneberg

Man behilft sich daher mit der fiktiven Vorstellung einer mittleren Sonne. Dazu wird der Mittelwert aller ungleich langen wahren Sonnentage gebildet und als mittlerer Sonnentag bezeichnet. Das zugehörige Zeitmaß heißt mittlere Sonnenzeit. Die fiktive mittlere Sonne läuft also auf dem Himmelsäquator mit konstanter Geschwindigkeit und vollendet einen Umlauf in genau derselben Zeit wie die wahre Sonne.

Die Abweichung zwischen beiden Arten von Sonnenzeit wird als Zeitgleichung bezeichnet.


Zeitgleichung = wahre Zeit - mittlere Zeit

1.5.3  Ortszeit, Zonenzeit und Weltzeit

Jeder Ort besitzt, abhängig von seiner geographischen Länge, seine eigene Zeit, die Ortszeit. Um dieses Übel aus dem täglichen Leben zu entfernen, hat man auf der gesamten Erde Einheits- oder Zonenzeiten eingeführt.

In Europa sind beispielsweise folgende Zonenzeiten gebräuchlich:

UTC (Universal time coordinated)gleichbedeutend mit
WZ (Weltzeit) gleichbedeutend mit
GMT (Greenwich mean time, Mitternacht in Greenwich)gleichbedeutend mit
WEZ (Westeuropäischer Zeit) 

Die Zeitzone ist festgelegt für den Längengrad l = 0°.

Bei uns gilt die MEZ (Mitteleuropäische Zeit, l = 15° östl.) mit ihrer Modifikation MESZ (Mitteleuropäische Sommerzeit).

Östlich von uns wird die Osteuropäische Zeit (l = 30° östl.) verwendet. Zur Erinnerung: 15° Längenunterschied bedeutet jeweils 1 Stunde !

1.5.4  Sternzeit und mittlere Sonnenzeit

Es gelten folgende Zusammenhänge:


wahre Sonnenzeit
=
Stundenwinkel  der  wahren  Sonne  + 12 h
mittlere  Sonnenzeit
=
Stundenwinkel  der  mittleren  Sonne  + 12 h

(Das additive Glied +12 h tritt auf, da der Tagesbeginn um Mitternacht ist, also zum Zeitpunkt des unteren Meridiandurchgangs der Sonne; es ist somit eine Folge der Definition, die sich auf den oberen Durchgang bezieht !)


Sternzeit
=
wahre  Sonnenzeit + Rektaszension  der  wahren  Sonne  - 12 h
=
mittl.  Sonnenzeit + Rektaszension  der  mittl.  Sonne  - 12 h

oder umgekehrt:


Mittlere  Sonnenzeit
=
Sternzeit - a+ 12 h

Die Mittlere Rektaszension der Sonne am kann aus den in astronomischen Ephemeridenwerken gegebenen Tabellen für jeden Zeitpunkt genau entnommen werden.

Abb.: Pendeluhr im Museum der Sternwarte Sonneberg

Abb.: Digitale Anzeige der Sternzeit auf der Sternwarte Bamberg

Zusammenfassend wird klar: Die Festlegung unserer Zeit erfolgte lange Jahre hinweg durch die Astronomie ! Mit der Einführung der SI-Einheiten hat die Astronomie diese Aufgabe an die Atomphysik (Cs-Uhr) abgetreten.



K. Völkel   2002